Der Ursprung in der Krise
Über 20 Millionen Amerikaner leben in Mobilheimen in sogenannten Trailerparks. Auslöser dafür war unter anderem die Finanzkrise 2007. Viele Leute konnten sich die Kredite und Mieten für ihre Häuser nicht mehr leisten und zogen mit ihren Familien in Wohnmobile oder behelfsmäßig zusammengebaute Mobilheime. Was als vorübergehende Notlösung gedacht war, hat sich schon längst in die amerikanische Kultur etabliert und findet sich vor allem in der Unterschicht wieder. Während man in Amerika problemlos die nötige Infrastruktur findet, stellt sich in Europa vor allem die Frage: Wohin mit meinem Tiny House?
Trend zur Autonomie und Nachhaltigkeit
Ähnliche Verhältnisse, wie in Amerika, findet man in Europa in großer Zahl nur in den Niederlanden. Hier wohnen überwiegend einkommensschwächere Haushalte. Wobei in Europa keine Finanzkrise ausschlaggebend war, sondern der Wunsch nach einem autonomen und nachhaltigen Leben. Die Tiny House Bewegung entscheidet sich bewusst für ein Leben auf kleinstem Raum (zwischen 15 qm und 50 qm) und mit der notwendigsten Ausstattung. Dabei finden sich vermehrt Häuser aus nachwachsenden Rohstoffen mit selbstversorgenden Strom-, Heizungs- und Wassersystemen. Obwohl die Zahl der Tiny House Anhänger in Europa stetig steigt, stehen die Besitzer, insbesondere in Deutschland und Österreich vor der Herausforderung alle Bauvorschriften zu erfüllen.
Bauvorschriften und Platzsuche
Tiny House Besitzer scheitern in Österreich und Deutschland oft an den Vorschriften. Mobile Tiny Houses bzw. Tiny Houses auf Rädern müssen zum Beispiel bestimmte Maße haben und sollten wenig wiegen, damit man sie auch mit einem zugstarken PKW bewegen kann. Diese können meist problemlos auch auf Campingplätzen stehen. Wer ein Tiny House langfristig bewohnt, oder sogar als Hauptwohnsitz anmeldet, muss zudem alle Erfordernisse (Dämmung, Schallschutz, Brandschutz,...) für eine Baubewilligung erfüllen und auf einem Baugrundstück stehen. Eine gute Nachricht für alle Individualisten: Es muss sich dabei nicht um das eigene Grundstück handeln. Da viele Tiny Häuser aus Amerika nicht den Vorschriften entsprechen, haben sich mittlerweile auch deutsche und österreichische Unternehmen, wie zum Beispiel Wohnwagon, auf den Bau von bewilligungswürdigen Häusern spezialisiert.
Fragen und Antworten mit Wohnwagon
ÖCC: Was sind die Vor- und Nachteile zum konventionellen Wohnen/Campen?
Wohnwagon: Ressourcen schonen,
den ökologischen Fußabdruck verringern oder die Natur spüren: Beweggründe für die Reduktion des Lebensraums gibt es viele.
Ein großer Vorteil des Wohnens im Tiny House ist die Autarkie: Man kann ein unabhängiges Leben führen. Der Wohnwagon steht
auf Rädern. Dadurch ist man ortsungebunden und mobil. Auch Unterhaltungskosten wie etwa für die Heizung sind langfristig günstiger
als in einem herkömmlichen Haus. Das reizt vor allem Menschen um die 30, die gerne Eigentum erwerben wollen, sich aber nicht
an einen fixen Ort binden möchten. Auch immer mehr Leute, die kurz vor der Pension stehen und in einem für sie zu großen Haus
leben, zieht es ins Mini-Haus.
Viele Menschen denken, im Winter sei es in einem Tiny House kalt und nass. Das stimmt
jedoch nicht: Da die Minihäuser etwas wenig Masse besitzen, kühlen sie zwar schnell aus – sie wärmen sich aber auch schnell
wieder auf. Welche Heizung gewählt wird, ist individuell zu entscheiden. Die einen bevorzugen kleine Holzöfen, andere verwenden
Gasöfen oder nutzen sogar eine Solarthermie-Anlage mit Verbindung zu einer Boden- oder Wandheizung.
ÖCC: Was ist vor dem Kauf/Bau eines Tiny House zu beachten?
Wohnwagon:
Wichtige Faktoren sind die Einhaltung von Verordnungen und Gesetzen, die an den Bau eines Tiny-Houses gesetzt werden.
Hierzu sollte bereits eine konkrete Planung der Finanzierung erfolgt sein. Es sollten schon einige Grundstücke in Aussicht
stehen oder bereits eins in Besitz sein. Natürlich geht auch das Starten in das Projekt ohne Grundstück, dann helfen wir natürlich
gerne bei der Suche.
Reduzierung auf das Nötigste ist auch einer der Faktoren das Potenzial und natürlich auch Umstellung
bedeutet. Der Raum, der einem zu Verfügung steht, ist zwar kleiner aber dafür auch wesentlich effizienter genutzt. Durch gezieltes
Aussortieren von dem was nicht notwendig ist wird das Konzept auf jeden individuell angepasst und zugeschnitten.
ÖCC: Was ist der Unterschied zwischen einem Wohnmobil und einem Tiny House?
Wohnwagon: Bei einem Wohnmobil handelt es sich um einen nicht dauerhaft oder nur zeitweise bewohnten/es
Anhänger/Fahrzeug. Das Tiny House ist meist als vollwertige Wohneinheit konzipiert und ist dazu da das ganze Jahr dort drin
zu Leben. Es ist meist so errichtet, dass auch im Winter eine gewisse Wärmedämmung und Raumwärme vorhanden ist. Die macht
es ganzjährig bewohnbar.
ÖCC: Darf man mit einem Tiny House überall stehen?
Wohnwagon:
Baurechtlich gibt es noch keine genauen Regelungen. Erst einmal ist das Grundstück auszuwählen: Das Praktische an unseren
mobilen Häusern ist, dass sie einsatzfähig gebaut werden. Im Vorfeld werden, gemeinsam mit dem Kunden, sämtliche Vorgaben,
welche die Gemeinde bzw. das örtliche Bauamt benötigt, wie etwa zu Brandschutz oder Raumhöhen, mit einbezogen. Je nachdem,
wo man stehen will, gilt es die jeweiligen Gemeindebestimmungen zu beachten, um eine Baugenehmigung zu erhalten.
Obwohl immer mehr Menschen auf den Geschmack von Tiny-Houses kommen, stehen Bauämter dem Eigenheim auf kleinstem Raum oft noch skeptisch gegenüber. Meist haben diese noch wenig Erfahrung mit dem Haustyp – teilweise bewegt man sich hier in einer Grauzone.
ÖCC: Wie sind die Erfahrungen mit Campingplätzen? Werden Tiny Häuser überall akzeptiert? Habt ihr Tipps?
Wohnwagon: Du musst kein Grundstück kaufen und zahlst pro Jahr nur ca. 1.000 € bis 2.000
€ für deinen Stellplatz. Du musst keine Baugenehmigung bei der örtlichen Gemeinde beantragen. Deine Stromversorgung ist gesichert.
Du kannst die gemeinschaftlichen Sanitäranlagen (WCs, Duschen, Waschmaschinen) nutzen.
Bevor der Wunschtraum zur Wirklichkeit
wird, musst du dich natürlich mit der Rechtslage auseinandersetzen. Unabhängig vom Bebauungsplan
gibt es so einige Stolperfallen, die Tiny-House-Besitzer*innen schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Für Dauercamper*innen
ist die Landesverordnung über Camping- und Wochenendplätze (CWVO) ein wichtiger Ausgangspunkt.
ÖCC:
Wie ist das Fahren mit einem Tiny House? Was gibt es dabei zu beachten? (Geschwindigkeit/Distanz/Höhe)
Wohnwagon:
Das eigene Auto reicht für den Transport des Tiny-Houses meistens nicht, es muss schon eine starke Zugmaschine wie ein Traktor
oder LKW bei den Wohnwagons sein für kleinere Tiny-Houses bis 3,5 Tonnen geht auch leichteres Gefährt. So fällt der Wohnortswechsel
beim Mikrohaus zwar nicht weg, es kann der Standort mit geeignetem Transportmittel und erhöhtem Aufwand aber dennoch geändert
werden.
ÖCC: Was passiert mit dem Abwasser? Welche Anschlüsse benötigt man?
Wohnwagon: Es wird grundlegend versucht Schwarz-Wasser zu vermieden! Das bedeutet alle Verunreinigungen durch Fäkalien soll vorgebeugt werden. Das Grauwasser was zum Beispiel beim Abwasch oder beim Duschen entsteht kann dann durch Pflanzenklärung und Filtersysteme wieder in deinen eigenen Kreislauf zurückgeführt werden. Durch Trockentrenntoilette ist schon einer Großer Teil getan, um unabhängig von Anschlüssen zu leben, auch Photovoltaik und Kaminoffen helfen Stromautark zu leben. Ob man an Kanal oder an das Öffentliche Netz angeschlossen werden muss, ist immer Gemeindeabhängig. Dies ist also meist eine Einzelfall-Entscheidung.
Das Interview entstand im Jänner 2022. Geführt von Susanne Posch vom österreichischen Camping Club und mit freundlicher Unterstützung von Christoph Heinemann von Wohnwagon